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Fragen und Antworten

Hinweis. Dieser Beitrag wurde nicht mit der ganzen Bewegung abgesprochen. Es gibt keine autorisierte Gruppe und kein beschlussfähiges Gremium, das „offizielle Gruppenmeinungen“ für das Ravensburger Klimacamp beschließen könnte. Die Menschen im Baumhaus und ihrem Umfeld haben vielfältige und teils kontroverse Meinungen. Kein Text spricht für die ganze Bewegung oder wird notwendigerweise von der ganzen Bewegung gut geheißen.

Politischer Druck und Gespräche mit Verantwortlichen

Sollten wir besser den Dialog mit den Verantwortlichen suchen?

Jein. Auf der einen Seite machen wir das bereits, etwa beteiligten wir uns ja vorletztes und letztes Jahr an der Klimakommission. Und vor uns suchten und bekamen schon andere den Dialog – die Fakten um die Klimakrise sind ja seit mehr als 40 Jahren bekannt.

Das CO₂ in der Atmosphäre nimmt immer weiter zu. (Quelle)

Solche Dialoge sind zwar gut und wichtig, sie reichen aber nicht aus: Seit mehr als 40 Jahren steigen ja die weltweiten Emissionen. Besonders deutlich wird das im nebenstehenden Diagramm. Nach oben ist die CO₂-Konzentration aufgetragen, nach rechts die Zeit. Markiert sind die Zeitpunkte, wo internationale Klimaabsprachen getroffen wurden.

Wir benötigen daher nicht nur Dialoge, sondern auch politischen Druck, und den erzeugen wir durch Aktionen wie dem Baumhausklimacamp.

Noch konkret auf Ravensburg bezogen eine Sache, die auch Professor Ertel viel kritisiert: Der Gemeinderat verabschiedete letztes Jahr zwar den aus der Klimakommission hervorgegangenen „Klimakonsens“ (kein echter Konsens), aber er verabschiedete keinerlei Maßnahmen, um die beschlossenen Klimaziele zu erreichen. Dabei kosten manche Maßnahmen (etwa Appelle an überregionale Gremien oder geeignete Straßenschilder) nicht einmal Geld oder nur ganz wenig.

Investitionen durch unsere Steuergelder

Fehlen die Steuergelder für den SEK-Einsatz gegen uns dem Klimaschutz?

Ja, wir sind auch nicht glücklich über den Polizeieinsatz. Der Einsatz im Dannenröder Wald in Hessen kostete übrigens mindestens 150 Millionen Euro – was wir als Gesellschaft stattdessen damit machen könnten, rechneten wir mal an paar Beispielen aus.

Natürlich wirkt eine Baumbesetzung auf den ersten Blick ziemlich illegal. Tatsächlich aber erfüllt eine Baumbesetzung der Art, wie wir sie durchführen, keinen Straftatbestand. Das Versammlungsrecht verdrängt sogar die Verordnung zur Ausgangssperre und die Baumschutzsatzung, dernach ansonsten die Besetzung zwei Ordnungswidrigkeiten darstellen würde.

Die Stadt rechtfertigte ihren Einsatz in ihrem Räumungsbescheid mit einer „unmittelbaren Gefahr für die Sicherheit“ (wörtliches Zitat aus dem Räumungsbescheid). Lag wirklich eine solche Gefahr vor? Von ein paar Jugendlichen mit Bannern in einem Baumhaus? Wir argumentieren, dass der Polizeieinsatz unnötig war.

Die Polizei ist übrigens vermutlich derselben Meinung – das meinen wir daran zu erkennen, dass sie mit uns eine Vereinbarung schloss, dass wir bis zum 10.1. freies Geleit zu unserem neuen Baumhaus erhalten und dieses so weiter betreiben können. (Nach dem 10.1. soll es dann Verhandlungen mit der Stadt geben.) So unmittelbar kann die von uns ausgehende Gefahr also gar nicht sein, sonst müsste die Polizei sofort eingreifen.

Deutschland ist trauriger Vorreiter in Kohleinvestition. (Quelle)

Übrigens: Jährlich subventioniert Deutschland mit 38 Milliarden Euro fossile Brennstoffe wie Kohle und Gas. Eine Grafik von Katapult zeigt, wie das in Relation zu den Subventionen unserer Nachbarländer steht. Zum Vergleich: Die Gesamteinnahmen durch Zug-, Bus- und Tramtickets belaufen sich jährlich auf 13 Milliarden Euro. Der Staat könnte also, rein rechnerisch, sofort den ÖPNV für alle Bürger*innen kostenlos machen und hätte dann noch 25 Milliarden Euro übrig, um andere sinnvolle Investitionen zu tätigen.

Abwälzung von Verantwortung an Einzelpersonen

Sollten wir lieber intelligente Konzepte entwickeln, die Verhaltensänderungen bei allen Bürger*innen fördern?

Es ist eine Masche vieler Politiker*innen, die Verantwortung für Klimagerechtigkeit an uns Bürger*innen, an Einzelpersonen, abzuwälzen. Diese Masche muss mensch durchschauen! Es stimmt zwar, dass wir alle weniger Fleisch konsumieren, auf Ökostromtarife wechseln und weniger fliegen müssen. (Übrigens: Die Produktion von 1 kg Rindfleisch verursacht genau so viel Treibhausgase wie fünf Jahre lang jeden Tag das Handy mit Kohlestrom aufzuladen (und übrigens auch genau so viel wie die Produktion von 500 g Butter). Und Ökostromtarife sind oft günstiger als Tarife bei den lokalen Stadtwerken.)

Aber die richtig großen CO₂-Einsparungen kann im aktuellen System nur der Staat bewirken. Momentan sind etwa viele Menschen auf ein Auto angewiesen, weil Bus und Tram zu wenig ausgebaut und zu teuer sind, und weil ein sicheres und komfortables Radwegenetz fehlt. Diese Autoabhängigkeit ist durch die große Treibhausgasbelastung nicht nur schlecht für unsere Zukunft (Verkehr ist Platz 3 der Treibhausgasquellen in Deutschland) und durch die vielen Unfälle nicht nur schlecht für uns alle, sondern sie verschärft auch gesellschaftliche Ungerechtigkeit: Denn für ärmere Menschen kann der Unterhalt eines Autos eine erhebliche Belastung darstellen. Wir fordern daher, dass der Staat zügig Schritt für Schritt eine Mobilitätswende einleitet. Am Ende sollen dann weniger Menschen aufs Auto angewiesen sein und in unseren Innenstädten soll es mehr Platz zum Bummeln und Aufhalten geben.

Auch die Energiewende kann nur der Staat kräftig ankurbeln: einerseits, indem er nicht mehr fossile Brennstoffe subventioniert. So werden die automatisch unrentabel, sodass die großen Energiekonzerne auf erneuerbare Energie umsteigen. Andererseits könnte er die Rahmenbedingungen so anpassen, dass es leichter für Bürger*innen wird, klimagerecht Energie zu produzieren. Das fängt etwa bei der Förderung von Solaranlagen fürs eigene Haus und die Mietwohnung an. Außerdem könnte er es leichter für Bürger*innen machen¸ sich zusammenzuschließen und einen Windpark oder eine Solaranlage zu betreiben. Wir nehmen Windräder ganz anders wahr, wenn wir wissen: Mit jeder Umdrehung verdienen wir einen Euro.

Viele von uns (vielleicht die absolute Mehrheit?) sind übrigens auch überhaupt keine Fans von den Grünen. Auf der einen Seite machen und fordern sie zu wenig, auf der anderen Seite denken sie den Gerechtigkeitsaspekt und Visionen direkter Demokratie viel zu wenig mit.

Technologische Lösungsbeiträge

Sollten wir unsere Kraft und Energie für neue kreative und intelligente Lösungen einsetzen und uns mit unserer Expertise zu Klimatolog*innen machen?

Manche von uns wollen später tatsächlich etwas in diese Richtung studieren oder arbeiten schon als Wissenschaftler*innen. Aber das ist weder nötig noch zielführend. Erstens müssen die Emissionen in den nächsten Jahren rapide fallen – nicht dann, wenn wir irgendwann Machtpositionen erreicht haben.

Und zweitens gibt es ja all die Klimawissenschaftler*innen und Ingenieur*innen schon! Wir wissen ganz genau, was zu tun ist, und alle nötigen Technologien sind hinreichend gut entwickelt. Nur schenken die Regierungen diesen Expert*innen zu wenig Gehör, weil der politische Druck fehlt.

Das ist das Hintertückische an der Klimakrise: Anders als ein Säbelzahntiger ist sie nur in schleichenden Veränderungen sichtbar. Drastisch erkennbar ist sie nur in Diagrammen – und wenn es zu spät ist.

Einsatz um andere wichtige Belange

Ist es aus unserer Sicht in Ordnung, wenn es ein weiteres Baumhaus zu Altersarmut, sozialer Ungerechtigkeit, Corona-Verordnungen oder BLM gibt?

Die Versammlungsfreiheit genießen alle Menschen in Deutschland, und wir werden anderen Initiativen sicherlich nicht vorschreiben, wie sie ihren Protest zu gestalten haben. Wir finden auch nicht, dass ein Baumhaus oder ein Banner wirklich störend ist und Passant*innen in ihrem Leben einschränkt.

Wir glauben aber schon, dass Aktionen wirksamer sind, wenn sie in ihrer Bildsprache mit dem Protestthema harmonieren. Das ist bei Bäumen und Klimagerechtigkeit der Fall, da ja Bäume einerseits CO₂ binden und die Luft abkühlen, andererseits immer noch nicht angemessen wertgeschätzt und viel zu oft unnötig gefällt werden (etwa, wie in Hessen, um Platz zu machen für eine neue Autobahn! Brauchen wir wirklich noch eine weitere? Oder sollte der Staat eine Mobilitätswende angehen, damit wir Bürger*innen weniger aufs Auto angewiesen sind?). Einen so direkten Baumbezug sehen wir bei den anderen angesprochenen Themen eher nicht.

Gegen die soziale Ungerechtigkeit der Corona-Verordnungen demonstrierten etwa schon Künstler*innen, indem sie an einem zentralen Platz ein tolles Musikstück spielten – dabei aber je zwei von drei Takten ausließen. Das erachten wir als eine aussagekräftige und starke Aktion!

Umsichtiger Umgang mit dem Baum

Beschädigt unser Baumhausklimacamp den Baum?

Nein. Wir haben das Fachwissen, um Baumhäuser ohne Beschädigung des Baums bauen zu können.

Uns tat es allerdings wahnsinnig weh, als das SEK den Baum unseres ersten Baumhauses verletzte und mutwillig Äste abbrach und absägte. Viele von uns waren im Danni und mussten da mitunter stundenlang am Stück ansehen, wie neben uns ein Baum nach dem anderen fiel. Wir hätten nicht erwartet, dass die Stadt den SEK-Einsatz anordnet, zumal er in der Zeit des sonst praktizierten behördlichen „Weihnachtsfriedens“ fiel.

Nach unserer erneuten Besetzung kam die Polizei auf uns zu und bot Verhandlungen an. Dieses Gesprächsangebot nahmen wir dankbar an. Bis zum 10.1. sichert nun die Polizei unser Grundrecht auf Demonstration, indem sie uns freies Geleit auf den Baum garantiert und uns weiter ermöglicht, unser Baumhausklimacamp zu betreiben. Danach sollen Gespräche mit der Stadt beginnen.

Wir wissen übrigens nicht, was der wahre Grund für den SEK-Einsatz war. Provozieren wollten wir ihn sicher nicht – er war auch für viele von uns und unsere Familien überhaupt nicht einfach! Offiziell begründete die Stadt den Einsatz damit, dass von unserem Baumhaus eine „unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ ausging (wörtliches Zitat aus dem Räumungsbescheid). Das kann aber nicht der wahre Grund sein – welche Gefahr geht von ein paar Jugendlichen mit Bannern in einem Baumhaus wirklich aus? Alle Konstruktionen waren fachgerecht gesichert. Und jetzt hat die Polizei ja auch keine Räumungsabsicht. Wir vermuten stattdessen einen politischen Hintergrund: Der Stadt war unser Klimacamp ein Dorn im Auge, da wir damit auf ihre fehlende Verantwortungsübernahme in Sachen Klimagerechtigkeit und Abkommenseinhaltung hinwiesen.

Kontinuierliche Auseinandersetzung

Ist es für die Einsatzkräfte auch unangenehm, sich während der Feiertage und zwischen den Jahren mit uns auseinandersetzen zu müssen?

Es tut uns leid, dass Einsatzkräfte geruhsame Zeit mit ihrer Familie verpassten. In Deutschland hat sich eigentlich zwischen einer Woche vor Weihnachten und Anfang Januar die Praxis des „Weihnachtsfriedens“ etabliert, in der Behörden keine Verwaltungsakte erlassen, die Empfänger*innen belasten. Wieso die Stadt diesen Frieden in unserem Fall nicht respektierte, wissen wir nicht. Und übrigens: Auch wenn wir uns mental auf eine Räumung vorbereiteten – einfach war sie für uns und unsere Familien trotzdem nicht.

Ansonsten aber müssen wir schon sagen: Die aktuellen Entscheider*innen müssen die schlimmsten Folgen der Klimakatastrophe nicht selbst miterleben. Wenn wegen der Klimakrise unsere Wirtschaft zusammenbricht und Hungersnöte, Krankheiten und Kriege an der Tagesordnung sind, dann geht es um unsere Zukunft. Solange diese aktiv von den Regierungen sabotiert wird, fordern wir, dass sich Entscheider*innen jeden einzelnen Tag mit Klimagerechtigkeit auseinandersetzen.